Typographonie 

für kein Streichorchester

 

 

Im Sommer 2017, aus einer Laune heraus, habe ich diese Komposition geschrieben, wobei das Wort »geschrieben« augenscheinlich wörtlich zu nehmen ist, wohingegen mir das Wort »Komposition« deplaziert scheint.

Wie entstanden ist, was man hier hören kann, dürfte auch ohne Beschreibung erkennbar sein, da man es in diesem Video auch sehen bzw. »lesen« kann.

Notabene, die Klänge finde ich durchaus interessant und sogar ausdrucksstark. Ein bißchen erinnern sie mich an die Avantgarde der 1960er, an Ligeti etwa oder Penderecki. Was mir suspekt ist und immer war, ist die Art, wie diese Klänge hier zustandekommen.

Ich fremdle, so lange ich denken kann, mit allen Konzepten, die dem Komponisten seine Kernaufgabe ganz oder teilweise aus der Hand nehmen. Wem ist auf der Suche nach unverbrauchten Klängen oder Rhythmen geholfen, wenn er z.B. Melodien aus Tonbuchstaben zusammensetzt? Was kann der D-moll-Akkord dafür, dass seine Töne A,F und D zufällig auch den Namen der gruseligen Arschlochpartei ergeben?  

Okay, ich habe zwar selbst mal drei äußerst verwickelte Fugen nach dem Vorbild der Kunst der Fuge geschrieben und die Präludien jeweils mit den Tönen B-A-C-H beginnen lassen, aber ansonsten halte ich nicht viel davon. In den 1950ern haben die modernsten Komponisten aller Zeiten zuerst die serielle Technik entwickelt, die alle substantiellen Entscheidungen an das Gesetz der Reihe delegiert. Als man erkannte, dass das Komponieren nur noch darin bestand, nach vorgegebenen Algorithmen den Tabellen zu entnehmen, welche Töne wie lang und wie laut von welchem Instrument mit welcher Spieltechnik gespielt in welcher Reihenfolge erklingen sollen, war die Zeit reif für die Antithese. Die bestand in der »Aleatorik«: Nun wurden die klanglichen Resultate nicht mehr dem alles präformierenden Automatismus der Reihe überlassen, sondern dem Würfel (lat. alea). Hier wie dort regiert der Zufall. Es sei die Ironie der Geschichte oder diejenige Ligetis, wenn dieser frotzelte, dass so oder so die musikalischen Abläufe dem Zufall überlassen wurden und klanglich zu verblüffend ähnlichen Ergebnissen führten. In schönstem Ungarisch sagte er, glaube ich: »Das total Dätärrminierrtä und das total Indätärrminierrtä wärrdän äänandärr glääch«. Aber wie gesagt: Ich höre meine »Typographonie« selbst mit Interesse und Wohlwollen, aber eigentlich gehört in diesem Satz nicht nur der Titel »Typogaphonie« in Gänsefüßchen, sondern das Wort »meine«. Meine ich ;-)

Köln, Februar 2021