Bach + Chaos = BaChaos

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Uli SCHAUERTE BaChaos (ca.1989)
"Life-Montage" aus zwei Bachpräludien (BWV 846 und 847)
BaChaos.mp3
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Gegen Ende der 1980er Jahre wurde „MIDI“, das ist, grob gesagt, die Computerei für Musiker, entwickelt und für normal Sterbliche bezahlbar. Auch ich besaß bereits in jenen Pioniertagen neben geeigneten „master keyboards“ einen „Atari“, einen „Notator“, einen „Proteus“ etc.
Die Möglichkeiten dieser Technik können dazu verleiten, Dinge zu tun, die mir normalerweise in so ziemlich jeder Hinsicht suspekt sind:
Man kann Musik kreieren, ohne sie im strengen Sinne komponieren (d.h. aufschreiben) zu müssen.
Man kann sie in gemütlichem Zeitmaß einspielen und dann in jedem beliebigen Tempo wiedergeben.
Man kann dabei viele Spuren übereinander schichten, also im Hauruckverfahren ganze Orchesterpartituren improvisieren.

Man kann auf die Weise ohne Reue mit dem Zufall experimentieren: Fällt das Resultat ernüchternd aus, wirft man es eben weg und freut sich, daß man dafür nur wenig Zeit verplempert hat.
Von den Segnungen der Musik-Computerei bin ich natürlich bis heute begeistert, vielleicht mehr denn je. Ohne sie würde es manche hier präsentierte Partitur, manches Klangbeispiel so nicht geben. Aber ich benutze diese Technik seit langer Zeit nur noch als Hilfsmittel, um damit das zu tun, was ich unter seriösem Komponieren verstehe. Wenige Ausnahmen bestätigen die Regel.
Die meisten Resultate des schriftlosen Herumspielens in der Atari-Ära befinden sich auf Disketten, die seit Jahren in meinem Keller verstauben. Ich weiß gar nicht, ob es technisch möglich wäre, ihren Inhalt (mit oder ohne "historische" Hardware) heute noch abzurufen.
„BaChaos“ ist eine Ausnahme. Das Stück hat auf einer Tonband-Kassette das Zeitalter der Disketten überdauert, und ich bin auch, bei allem Vorbehalt gegenüber dem Herumspielen mit Zufallsergebnissen, ganz froh darüber.
Denn bei diesem Stück hat der Zufall, wie ich finde, einmal ganze Arbeit geleistet.
Was es damit auf sich hat:
Ich habe damals, vielleicht 1988 oder 1989  (warum auch immer) die beiden ersten Präludien aus dem I. Band von Bachs Wohltemperiertem Klavier übereinandergelegt. Beim Einspielen dürfte ich versucht haben, metronomisch exakte, gleiche Sechzehntel hinzubekommen. Als Ergebnis war roboterhaft mechanische Gleichförmigkeit des Rhythmus zu erwarten, gepaart mit der Häßlichkeit einer Harmonik, die ja durch solch wahlloses Übereinanderschichten fertiger Stücke nicht mehr der Intention eines denkenden Musikers, sondern dem Zufall überlassen bleibt. Womit ich nicht gerechnet hatte, war, welch aparte Rhythmen herauskommen können, wenn man (was beim damaligen Stand der Technik leicht passierte) den Prozessor mit vielen Tönen bei hohem Tempo überfordert, ihn also buchstäblich über-rascht. Vielleicht steckt auch etwas dahinter, was MIDI-Experten, zu denen ich mich nicht zählen darf, als "Quantisierungs"-Problem  bezeichnen.

Wie auch immer: Der Computer hat es nicht geschafft, immer alle Töne, die auf einer Sechzehntel als Akkord zusammenkommen sollten, gleichzeitig wiederzugeben, und statt dessen viele, aber eben nicht alle Sechzehntelakkorde in Zweiunddreißigstel aufgeteilt, dies ohne erkennbares Muster und so unregelmäßig, daß eine hochinteressante, afrikanisch anmutende Rhythmik herauskam.

Zugleich hat sich diese Panne – das Auffalten von Akkorden ins zeitliche Nacheinander – mildernd auf die Harmonik ausgewirkt. 
Ein bißchen erinnert das Ergebnis auch an die sog. minimal music.

Den Marimba-Sound habe ich damals für die Überspielung auf Tonband vermutlich gewählt, um den „ethnischen“ Effekt zu unterstreichen.
Der Titel „BaChaos“ rührt natürlich daher, daß ich mit Musik von Bach Chaos angerichtet habe.